aus: La Jornada, 18. November 2003 EZLN ruft zum Widerstand gegen die
Globalisierung des Todes auf
von Blanche Petrich An diesem 17. November erklärten sich die Zapatistas für
"größer und stärker" als 20 Jahre zuvor, als sie unter strengster
Geheimhaltung ihr erstes Guerillalager in der Selva Lacandona gründeten. An
diesem 20. Geburtstag sind sie erfahren im Widerstand gegen die Schläge und
Täuschungen der schlechten Regierung, organisiert in ihren autonomen
Bezirken, furchtlos vor der anhaltenden Politik der Aufstandsbekämpfung und
stolz auf das, was sie erreicht haben. Unter diesen Voraussetzungen rief das Geheime
Revolutionäre Indigene Komitee - Generalkommando der EZLN gestern die
Mexikanerinnen und Mexikaner auf, weiterhin an die Organisierung des Widerstandes
zu denken und daran zu arbeiten. Vier Videobotschaften - zwei von den Kommandantinnen Fidelia und
Esther, zwei von den Kommandanten Zebedeo und David - kamen aus den fünf Caracoles
(=zentrale Versammlungsorte und Sitz der „Juntas der Guten Regierung“ der
Zapatistas) des zapatistischen Territoriums in Chiapas, um auf den Plazas
verschiedener Orte im Land verteilt zu werden, wo der 20. Jahrestag der
Gründung der EZLN und der 10. Jahrestag des bewaffneten Aufstandes mit einem
vollen Programm im Rahmen der Kampagne "20 und 10: das Feuer und das
Wort" gefeiert wurde. Jede Botschaft war für ein bestimmtes Zielpublikum bestimmt. Die
erste richtete sich an die Frauen. Die zweite an die
"Jugendlichen", besonders an jene, die das Privileg haben,
studieren zu dürfen. Die dritte, an die Indígenas mit einer Einladung an jede
Gemeinde, ihre Autonomie zu errichten. Und zuletzt an die internationale Zivilgesellschaft,
mobilisiert und organisiert in einem vielfachen Prozess des Widerstandes
gegen den Neoliberalismus, den David als "Globalisierung des Todes"
bezeichnet. Der Hidalgo de Coyoacán Park mit seinen Kiosken, Straßenlaternen
und dem Duft von Zuckerwatte bot sich als offizieller Standort für die
Veranstaltung und die Feier an, nachdem die Zapatisten im Südosten
beschlossen hatten, ihre Gemeinden zu schließen, um "privat" feiern
zu können, Militärchefs, Insurgenten und Unterstützungsbasen gemeinsam, in
einer Geste, die daran erinnert, dass der Konflikt weiterhin besteht, und
dass in Chiapas noch kein Friedensabkommen erzielt wurde. Comandanta Fidelia richtete ihre "kleinen Worte" an
die mexikanischen Frauen, "in erster Linie an die Mädchen, jungen
Frauen, alten Frauen, Schwestern, die auf dem Feld und im Haushalt
arbeiten", und ermutigte sie, weiterhin gegen das Elend und das Leid zu
kämpfen, gegen den Alkoholismus der Ehemänner, die Bedingungen, die viele
Bäuerinnen und Bauern zwingen, abzuwandern, weil sie ihren Mais wegen den
niedrigen Preisen nicht verkaufen können, sowie gegen die extreme Lage, die
viele Mädchen in die Prostitution treibt. Sie schlug vor: "Ergreift euch bei den Händen, um gemeinsam
als Schwestern der Armut, der Erniedrigung, der Diskriminierung und der
Ungerechtigkeit Ya Basta zu sagen." [...] "Aber wir sind sehr
glücklich bei dieser Feier, weil wir 20 Jahre alt geworden sind." Comandante Zebedeo richtete sich an die Jugendlichen Mexikos und
anderer Länder: "Wenn ihr jungen Menschen noch nicht geboren wart, als
wir unseren Kampf begannen, wenn für euch diese Botschaft etwas Neues ist,
wenn ihr noch nicht herausgefunden habt, wofür wir kämpfen, laden wir euch
dazu ein. Kommt vorbei, um herauszufinden, wonach wir suchen, und um zu lernen, wie man kämpft und Opfer bringt". Zebedeo, der während der Marcha für Indigene Würde 2000 viele
erinnerungswürdige Reden gehalten hat, richtete seine Botschaft besonders an
die Studierenden und riet ihnen dazu, "wie gute Menschen, die auf diesem
Planeten Erde geboren wurden", ihr Gewissen, ihre Intelligenz und ihre
Weisheit für die Gesellschaft einzusetzen, die sie braucht. "Stellt euch
nicht auf die Seite des Konformismus. Es ist schön, wenn man sich in das Herz
des Volkes stellt." Aber er warnte: "Wenn ihr vorhabt, Karriere als ein
weiterer Neoliberaler zu machen, werden eure Studien nutzlos für die Gesellschaft
sein. Damit werdet ihr in der Zukunft nur auf Verachtung stoßen". Er beschrieb die soziale Pyramide in Mexiko, an deren Spitze nur
einige Kinder der Mächtigen dieses Privileg haben und "es
missbrauchen". In der Mitte stehen die Kinder der Berufstätigen - Ärzte,
Professoren, Journalisten -, die beginnen, sich durch die hohen
Ausbildungskosten ausgeschlossen zu fühlen. Und ganz unten stehen die Kinder
der Arbeiter und Campesinos, Migranten und Indigenas, die ohne studieren zu
können nur vor der Wahl stehen, sich zu organisieren oder drogenabhängig zu
werden. Der größte Teil des Publikums im Coyoacán Park war jung.
Zebedeos Worte trafen den Nagel auf den Kopf. "Schweigt nicht länger.
Kämpfen heißt, die Hände nicht in den Schoß zu legen. Studiert, damit unsere
Räume nicht verkauft werden. Denkt daran: ihr seid das Land, ihr seid die
Patria". Als nächstes folgte Comandanta Esther, die sich vor 20 Monaten
auf der Redetribüne der Abgeordnetenkammer an die Nation gewandt hatte, um
die Gründe der Indigenen Völker für die Forderung nach einem Gesetz für
indigene Rechte zu erklären, das ihnen später verweigert wurde. Dieses Mal
sprach sie zu den indigenen Völkern über die Fortschritte, die die
zapatistischen Gemeinden im Bereich der Autonomie gemacht haben, den
Politikern zum Trotz: "Wir setzen die Abkommen von San Andrés Larráinzar
bereits um". Sie ging auf die Nutzen und Lehren ein, die aus dem
zapatistischen Kampf gezogen wurden, und sagte: "Wir haben uns nicht
einschüchtern lassen, und werden es auch nicht tun. Sie werden uns niemals
töten können, weil wir viel größer sind, und weil wir unsere autonomen
Bezirke haben." In ihnen, in den sogenannten Caracoles, "haben wir bereits
die Schulbildung, die wir wollen, basierend auf unserer indigenen Kultur; und
unsere gemeinsame medizinische Versorgung. Wir entscheiden über unsere
Produktion im Kollektiv." Sie rief andere indigene Völker in Mexiko auf: "Es ist
höchste Zeit; wartet nicht darauf, dass euch etwas in die Hände fällt, bildet
eure eigenen unabhängigen Bezirke." Comandante David war der letzte Sprecher und richtete seine
Botschaft an Mexiko und die Welt. Er erinnerte daran, dass, obwohl die
Regierung in Chiapas die Pläne der
Aufstandsbekämpfung zur Zerschlagung der Zapatistas fortsetzt, diese
nichts gefruchtet haben aufgrund der Unterstützung, die die EZLN durch die
Mobilisierung und Organisierung der Zivilgesellschaft im ganzen Land erhalten
hat. Über die Weltlage sagte er: "Der gemeinsame Feind der
Menschheit beginnt mit seiner ganzen Wut, um sich zu schlagen. Die Ausbeutung
des Reichtums steigt, es wächst der Hunger und der Tod Tausender Menschen, es
wächst der weltweite Widerstand und die Empörung. Millionen auf der ganzen
Welt rebellieren in großen Mobilisierungen. Und es werden immer mehr." Der Tzotzil-Anführer der ersten Jahre der zapatistischen
Verschwörung warnte: "Hört nicht auf mit eurer Empörung. Wir laden euch
ein, zu denken, zu analysieren und zu planen, einen Weg zu einer großen
Mobilisierung gegen den Neoliberalismus und die Globalisierung des Todes zu
suchen". Dieser Feiertag - 20 Jahre seitdem die ersten sechs Zapatistas
eine imaginäre Fahne in einem Lager namens "der Alptraum"
aufpflanzten –, wurde von den Harfen der Schwestern Lily und Mara Tamayo, den
Balladen von Oscar Chávez und dem Tanz der Huapangos von Guillermo Velazco
und seinen Löwen von Xichú beendet. Ohne den sexappeal der Dschungelumgebung von La Realidad, ohne
journalistische Erwartungen über die Anwesenheit von Subcomandante Marcos
oder darüber, irgendeinen anderen Maskierten zu Gesicht zu kriegen, blieben
der Großteil der Massenmedien der Veranstaltung fern, was weder den Emotionen
noch der Feier irgendeinen Abbruch tat. ___________________ Übersetzung: Dana -> Startseite Gruppe
B.A.S.T.A. |